Eine neue Studie belegt: Sonnenschutz  ist bei jeder Bauweise Pflicht. (Foto: © BVST/Griesser AST)

Eine neue Studie belegt: Sonnenschutz ist bei jeder Bauweise Pflicht. (Foto: © BVST/Griesser AST)

Studie belegt: Sonnenschutz ist Pflicht

Ein Projekt der TU Graz und der österreichischen Energieagentur belegt: Zukunftsorientiertes Bauen funktioniert nicht ohne zeitgemäßen Sonnenschutz – unabhängig von der gewählten Bauweise.

In dieser Studie wurde die Sommertauglichkeit verschiedener Bauweisen untersucht. Wechselndes Nutzungsverhalten wurde ebenso miteinbezogen wie verschiedene Kühlstrategien, Gebäudeausrichtung, gängige Grundrisse, unterschiedliche Raumkonfigurationen und –größen sowie übliche Fensterflächenanteile. Am Ende war klar: Ganz egal, ob das neue Heim als Massiv- oder Leichtbau errichtet wird, das richtige Lüftungs- und Beschattungskonzept macht letztendlich den wesentlichen Unterschied.

Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik: "Diese Studie zeigt vor allem eines eindeutig: Alte Ansätze sind nicht auf das neue und zukunftsorientierte Bauen und Sanieren übertragbar." Und ohne die richtige Kombination von Beschattung und Lüftung verzichtet man auf jede Menge Wohnkomfort bei gleichzeitig höherem Energieaufwand.

Immer wärmer

Laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) lag das Jahr 2016 um ein Grad über dem vieljährigen Mittel und ist das viertwärmste Jahr der letzten 250 Jahre. Die drei wärmsten Jahre der Messgeschichte stammen alle aus der jüngeren Vergangenheit: 2014, 2015, 1994. 2016 brachte zehn überdurchschnittlich warme und nur zwei zu kühle Monate, die höchste Temperatur des Jahres betrug 36 Grad.

"Die Tendenz zu ständig steigenden Temperaturen, der von Experten prognostizierte Klimawandel, aber auch die modernen Gebäude mit geringem Heizwärmebedarf stellen uns vor große Herausforderungen. Diese können durch sinnvolle Planungen relativ einfach gelöst werden – allerdings müssen sie von Anfang an mitgedacht werden", so Gerstmann.

Bauweise nicht entscheidend

Gemeinsam mit dem beratenden Planer steht am Beginn meistens die Entscheidung, ob das neue Heim aus Mauerwerk, Ziegel, Beton oder doch aus Holz sein soll. Alle diese Bauweisen und dazugehörigen Baustoffe weisen jeweils ihre ganz spezifischen Vor- und Nachteile auf. Wie jedoch die Ergebnisse der Studie belegen, ist der Einfluss der verschiedenen Bauweisen auf die durchschnittlichen Temperaturen im Haus nicht so deutlich ausgeprägt, wie es allgemein angenommen wird.

Der hauptsächlich wahrnehmbare Effekt, der auf die Speichermasse zurückzuführen ist, ist die geänderte Trägheit und damit die Reaktionszeit des Gebäudes auf Temperaturschwankungen: Gebäude in massiver Bauweise überschritten in der Studie das in der Norm vorgesehene 27-Grad-Kriterium für den Tag seltener, führen aber zu höheren Nachttemperaturen. Andererseits sind Gebäude mit leichter Bauweise in der Lage, rascher auf nächtliche oder wetterbedingte Abkühlungen zu reagieren.

Verschattung macht den Unterschied

Die wirksamsten präventiven Maßnahmen gegen sommerliche Überwärmung sind gutes Beschatten und wirksames Nachlüften. Denn laut der Studie ergeben sich die niedrigsten Raumtemperaturen – unabhängig von der Bauweise – durch eine konsequente, am besten automatisch gesteuerte temporäre Beschattung. Die Sommertauglichkeit kann zwar auch über den Luftwechsel erreicht werden – allerdings nur in der simulierten Theorie.

In der Praxis stellen nämlich auch Privatsphäre, Tropennächte, Lärm, Insekten und Sicherheitsbedürfnisse wesentliche Kriterien dar – sowie technische Gründe, denn ein hoher Luftwechsel bedeutet nicht automatisch, dass er auch kühlwirksam ist. Johann Gerstmann dazu: "Zeitgerechte Beschattung am Tag und kühlwirksamer Luftwechsel in der Nacht schaffen gemeinsam behagliche Nachtstunden mit Temperaturen unter 25 Grad Celsius."

Im Sommer und Winter

Der solare Eintrag leistet bei üblicher Gebäudeauslegung und -nutzung im Sommer den maßgeblichsten Beitrag zur Erwärmung. Zugleich ist er im Winter verantwortlich für geringeren Energieaufwand und mehr Wohnkomfort. Die Beschattungseinrichtungen sollten von Beginn an integraler Bestandteil des Gebäudekonzepts sein, der eine komplexe Dreifachanforderung zu bewältigen hat: Energielenkung, Tageslichtnutzung und Blendschutz.

"Hinzu kommt, dass Wohngebäude heute tagsüber meist nicht durchgehend bewohnt sind und niemand in die Beschattung eingreifen kann. Daher muss sich diese bei Bedarf automatisch selbst aktivieren", so Johann Gerstmann. Um dem breiten Anforderungsspektrum hinsichtlich Energie, Komfort und Design gerecht zu werden, bietet die Sonnenschutz-Industrie zahlreiche Lösungen an.

Gerstmann: "Weder Glas noch Speichermasse lösen das Problem der Überwärmung – dazu sind die diesbezüglichen Ansprüche viel zu komplex!" Und auch nicht günstiger, denn sinnvolle bewegliche Beschattung liegt laut Analyse des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik üblicherweise bei 1,5 bis 2,5 Prozent der Gesamtkosten. Wird sie effektiv eingesetzt, reduzieren sich im Gegenzug die Lebenszykluskosten insgesamt um zwei Prozent, womit auch eventuell anfallenden Kosten für die Nachrüstung und den Betrieb von mechanischer Kühlung vorgebaut ist.

An morgen denken

Häuser, die derzeit errichtet und saniert werden, müssen also bereits auf die neuen klimatischen Verhältnisse hin ausgerichtet sein, um behaglichen Komfort und wertvolle Gesundheit sicherzustellen. Es gilt, energieintensive, umweltschädliche Klimaanlagen und deren zusätzliche CO2-Produktion zu vermeiden. Schlüsselfaktor dafür ist nicht, wie häufig angenommen, die speicherwirksame Masse, sondern ein kühlungswirksamer Luftwechsel und insbesondere eine effektive Beschattung.

Bedarfsgerechtes Licht- und Sonnenmanagement verhindert nicht nur einen zu hohen Wärmeintrag, sondern versorgt auch die Räume mit ausreichend natürlichem Tageslicht und gewährleistet den visuellen Kontakt zur Außenwelt.

Gerstmann: "Als Sonnenschutzexperten mischen wir uns nicht in die Debatte schwere versus leichte Bauweise ein. Aber diese Studie belegt, dass eine smarte Verschattung die wichtigste Maßnahme im Sinne ganzheitlicher Nachhaltigkeit darstellt. Sie ermöglicht uns im Winter weniger zu heizen und vermeidet im Sommer zusätzliche mechanische Kühlung."

www.bvst.at